Ein Urteil des Schiedsgerichts zwingt den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) zur Änderung seiner Statuten im Nachwuchsbereich. Denn der Niederländer Rens Aberson (Düsseldorfer EG) bekam mit seiner Klage Recht: Ab sofort darf die Zahl von EU-Ausländern im Nachwuchsbereich nicht mehr beschränkt werden. Das Urteil liegt Eishockey NEWS vor.
„Die Beschränkung der Spielberechtigung auf zwei transferkartenpflichtige Spieler ohne Unterscheidung zwischen EU- und Nicht-EU-Spielern widerspricht Europarecht“, heißt es in der Begründung. Aberson, ehemaliger Kapitän der U17 der DEG und mittlerweile in der U20, hatte im Dezember 2020 gegen die Beschränkung geklagt. Gemäß Artikel 60 der Spielordnung des DEB dürfen bisher nur zwei transferkartenpflichtige Spieler eingesetzt werden. Aberson befürchtete, nicht mehr eingesetzt zu werden, wenn andere Spieler – beispielsweise wegen ihres Alters – ihm vorgezogen würden.
Eigentlich, so erzählt Vater Ron, der sich schon viele Jahre mit dem Thema beschäftigt, wollte man gar nicht vor Gericht gehen. Doch eine Vielzahl an Faktoren habe schließlich dafür den Ausschlag gegeben: Schon als Zwölfjähriger wurde sein Sohn entdeckt und nach Köln für ein Probetraining eingeladen, die Familie fuhr dann jahrelang zehntausende Kilometer nach Deutschland zum Training (Rens spielte auch in Ingolstadt und eine Saison in Schweden), habe viel Zeit und Geld investiert, um dann festzustellen, dass dem Sohn die Chancen verbaut werden. „Man kann in der EU frei wohnen, frei arbeiten und sich frei bewegen, aber im Sport geht das nicht“, sagt Ron Aberson.
„Das ist diskriminierend“
Der blickt speziell auf das Alter ab 16 Jahren: „Manche Clubs melden drei EU-Ausländer, aber nur zwei dürfen spielen. Wenn alle drei gleich gut sind, kann jeder nur zwei Drittel der Spiele absolvieren. Ich verstehe auch, dass nach dem 5-Sterne-Programm bestimmte Spieler in speziellen Situationen spielen sollen. Aber wenn man das mit einer Arbeitsstelle vergleicht, kann man das einfach so nicht machen. Das ist diskriminierend.“
Am 8. Februar 2022, mehr als ein Jahr später, stellte das Schiedsgericht nun fest, dass Aberson, der in Düsseldorf das Sportinternat besucht und eine Ausbildung absolviert, nun zusätzlich neben zwei transferkartenpflichtigen Spielern, die EU-Staatsbürger sind, eingesetzt werden kann. Das aktuelle Urteil gilt aber nur für Aberson selbst, andere Spieler können sich darauf nicht berufen und müssten selbst den Klageweg gehen.
„Wir wollten damit klar machen, dass sich die Durchführungsbestimmungen negativ auf die Entwicklung der Spieler auswirken können“, sagt Aberson. „Es geht aber doch darum, den Nachwuchs besser zu machen und das Eishockey auf ein höheres Niveau zu heben – egal ob mit deutschen, holländischen oder anderen Spielern.“ Erschwerend sei hinzugekommen, dass Rens auch keine Förderlizenz erhalten kann.
Erinnerung an das Bosman-Urteil von 1995
Der Fall erinnert an das Bosman-Urteil aus dem Jahr 1995. Damals entschied der Europäische Gerichtshof unter anderem, dass EU-Staatsangehörige ihren sportlichen Arbeitsplatz frei wählen dürfen. Gleichzeitig ist es den Clubs seither erlaubt, so viele EU-Ausländer wie gewünscht zu verpflichten.
„Der DEB ist nun gezwungen, die Beschränkung für den Nachwuchsbereich komplett aufzuheben oder so zu gestalten, dass EU-Bürger den deutschen gleichgestellt werden“, erklärt Rechtsanwältin Julia Schwarz von der Münchner Kanzlei Gründel Preß Petersohn, die Aberson vertrat und bereits mehrere ähnlich gelagerte Fälle im Eishockey bearbeitete. „Es muss also eine Regelung gefunden werden, die es den Vereinen nicht mehr gestattet, eine Begrenzung einzuführen, die auf Nationalität beruht. Das wäre europarechtswidrig.“ Wichtig: Im Urteil heißt es, dass auch eine freiwillige Selbstbeschränkung der Vereine wie sie in den aktuellen Durchführungsbestimmungen vorgesehen ist, unzulässig wäre.
Der DEB, den in diesem Fall Justiziar Marcus Haase vertrat, erklärte auf Nachfrage, dass das Urteil nicht nur „respektiert und akzeptiert“ werde, sondern auch, dass sich der Ständige Satzungsausschuss bereits damit beschäftige und mögliche Änderungen in den Spielordnungen ausarbeiten werde. Diese würden dann der Mitgliederversammlung am 7. Mai zur Abstimmung vorgelegt. Der vom Schiedsgericht geforderten Veröffentlichung war der Verband allerdings bisher nicht nachgekommen. Und: „Aufgrund der Länge des Verfahrens liegt außerdem die Vermutung nahe, dass der DEB versucht hat, die Entscheidung hinauszuzögern“, sagt Rechtsanwältin Schwarz.
„Wir wollen keinesfalls das deutsche Eishockey kaputt machen“, erklärt Ron Aberson. „Uns geht es darum, dass der Nachwuchs spielen kann und dass auch grenznahe Vereine durch Integration nach vorne kommen. Ich bin der Meinung, wir hätten in Europa genug Eishallen und Möglichkeiten, dass die Spieler nicht nach Nordamerika gehen müssten. Nicht umsonst haben die Schweden die meisten NHL-Spieler, dort werden aber einfach viel mehr Spiele gespielt.“ Sohn Rens möchte gerne in Deutschland bleiben. Die Familie sucht für die kommende Saison noch nach einem neuen Club.
Michael Bauer