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Eishockey und Einbürgerungen. Ein Thema, das, spätestens als der damalige Mannheimer Trainer Heinz Weisenbach Ende der Siebzigerjahre Kanadier mit deutschen Vorfahren für sein Team akquirierte, immer wieder ein großes Diskussionsthema ist. Seither gehören eingebürgerte Spieler oder nicht in Deutschland ausgebildete Akteure, die gleich mit deutschem Pass zum ersten Mal in PENNY DEL, DEL2 oder Oberliga auflaufen, zum deutschen Eishockey.
Möglich, dass es schon bald mehr werden. Denn am Freitag hat der Bundestag den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit erleichtert. Eine Einbürgerung soll nun in der Regel bereits nach einem Aufenthalt von fünf statt bisher acht Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen auch schon nach drei Jahren. Zudem darf die bisherige Staatsangehörigkeit behalten werden. Deutschland will ein modernes Einwanderungsland werden und Facharbeiter anziehen.
PENNY DEL und Spielervereinigung SVE stehen zum Thema Einbürgerungen bereits seit Längerem im Austausch (Eishockey NEWS berichtete). „Aktuell sehen wir keinen Grund zum Aktionismus, zumal die Entscheidung ja auch alles andere als überraschend für uns kommt“, heißt es dazu von DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke. Sportliche und rechtliche Konsequenzen wolle man sorgfältig prüfen.
„Klar war uns in den Gesprächen, dass die geplante Reform des Staatsbürgerschaftsrechts politisch ganz andere Dimensionen hat, als die mögliche Einbürgerung von Eishockeyspielern“, sagt Florian Stenner von der SVE. „Das ist eine Reform, die sich auf ganz Deutschland als Wirtschaftsstandort und Gesellschaft auswirken wird. Das sieht man ja auch beim Abstimmungsverhalten im Bundestag – und ich glaube, kaum ein Abgeordneter hat hier an Eishockey oder Profi-Sport im Allgemeinen gedacht. Eishockey ist da ein ganz kleiner Teil.“
Die Spieler jedenfalls bewegt das Thema. Stenner berichtet von vielen Fragen und Meinungen, die die SVE dazu erreicht hätten. Moritz Müller war dazu vor einigen Wochen im Gespräch mit Eishockey NEWS bereits sehr deutlich: „Einbürgerungen sind per se schon ein Problem fürs Eishockey. Mit der neuen Regelung würden noch mehr deutsche Spieler aus der Liga fliegen.“ Stenner formuliert es vorsichtiger: „Das deutsche Eishockey und die Nationalmannschaft profitieren davon, dass deutsche Spieler gute Rollen in ihren Vereinen spielen. Das muss unbedingt so bleiben, und die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts darf das nicht gefährden.“ Für ihn ist auch wichtig, ob die Einbürgerung nach drei oder nach fünf Jahren möglich ist: „Die entscheidende Frage ist hier: Was sind besondere Integrationsleistungen per Gesetz?“ Der Gesetzgeber nennt dabei unter anderem hohes bürgerschaftliches Engagement.
René Rudorisch, Geschäftsführer der DEL2, tut sich schwer, Auswirkungen vorherzusagen: „Vor allem, weil oftmals gar keine langjährigen Verträge existieren. Sicher wird das neue Verfahren dazu führen, dass sich mehr Menschen einbürgern lassen können – und damit auch Sportler.“
DEB-Vizepräsident Marc Hindelang prognostiziert „einen erheblichen Einfluss auf die deutsche Eishockeyszene, gerade auch durch die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft. Die Anzahl der Spieler, die schon jetzt davon profitieren können, scheint recht hoch zu sein.“ Noch sei offen, welcher Handlungsbedarf für die DEB geführten Ligen daraus hervorgeht. „Aber es gilt zu prüfen, welche Maßnahmen die richtigen sind, um den in Deutschland ausgebildeten Spielern weiterhin eine Perspektive geben zu können. Es wäre wichtig, wenn bei den Vereinen hier die Philosophie ‚Ausbilden vor Einbürgern‘ vorherrschen würde.“
Rudorisch verweist auf die neue Gesetzeslage: Eishockey unterliege den Bestimmungen, „weshalb wir die Entscheidung und die zukünftige Praxis akzeptieren und im Rahmen dieser arbeiten müssen“. Das Gesetz soll voraussichtlich im April in Kraft treten. Heißt: Es betrifft das Eishockey erst zur neuen Saison. Zeit genug also, weitere Gespräche zu führen, worauf DEL und SVE verweisen. Ob diese zu neuen Regel oder Formulierungen im Umgang mit eingebürgerten Spielern führen, ist aktuell völlig offen. Anders als bei Kontingentspielern gibt es beispielsweise in den Ligen keine Kontingentierung von eingebürgerten Spielern via Gentlemens‘ Agreement.
Michael Bauer