Das Eisstadion in Memmingen, die Heimat der ECDC Indians (Oberliga Süd).
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Es war ein bemerkenswerter, vermutlich sogar historischer Termin am Dienstagabend in Memmingen. Die ECDC-Vorstände Thomas Butzke und Sven Müller stellen sich bohrenden Fragen an einem Tag, der alles andere als gewöhnlich war. Knapp zehn Stunden vor dieser Pressekonferenz bekommt ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Vereins Besuch von der Polizei. Sie haben dabei: Einen Haftbefehl. Der im Raum stehende Vorwurf: In über 100 Fällen soll der Ex-Funktionär in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.
"Es ist unfassbar schwierig, was wir da machen", beginnt Sven Müller seine Erklärung auf der Pressekonferenz. Auch für ihn ist, da macht er keinen Hehl daraus, in den vergangenen Wochen eine Welt zusammengebrochen. Dem ehemaligen Funktionär habe man "blind vertraut". Deshalb sei man auch menschlich "zutiefst erschüttert". Nun ist der ECDC Memmingen prinzipiell ein erfolgreicher Verein. Ende der 90er-Jahre gegründet, gab es speziell in den vergangenen Jahren viel Grund zum Feiern. Der Aufstieg in die Oberliga liegt keine zehn Jahre zurück, seitdem gab es mehrfach mitreißende Playoff-Serien und als Kirsche auf der Torte vor zwei Jahren sogar eine Vizemeisterschaft.
Vor etwa zwei Jahren seien die Vorstände Müller und Butzke aber auch "misstrauischer" geworden, was ihr Kollege so macht. Die Zahlen hätten nicht mehr gepasst. Die Schere zwischen der sonst immer sauberen Kalkulation und dem Ergebnis sei "auseinander gelaufen". Entdeckt hätten die beiden aber nichts. Es ging weiter. Bis vor rund sechs Wochen, als man doch etwas findet. 30.000 Euro seien nicht rechtmäßig geflossen. Butzke und Müller legen dem ehemaligen Funktionär den Rücktritt nahe, der auch recht zeitnah und für viele überraschend verkündet wird.
Vor zwei Wochen, so berichtet es Müller nun, taucht eine weitere Forderung auf. Diesmal im deutlich sechsstelligen Bereich. Die Überraschung ist groß, andere Zahlen seien dem Vorstandsteam schließlich übergeben worden. "Wir haben auf dem Konto gesehen, dass Raten bezahlt wurden", dann aber festgestellt, dass "das Geld mutmaßlich umgeleitet wurde." Das veranlasste Butzke und Müller, Strafanzeige gegen das ehemalige Vorstandsmitglied zu stellen. Es folgen "kurze Nächte" und die "negativ-emotionalsten Momente" schildert Butzke, der unumwunden zugibt: "Der ECDC befindet sich in der wohl größten Krise seiner 32-jährigen Vereinsgeschichte".
Müller und Butzke beschließen, die Ärmel noch weiter hochzukrempeln als es die ehrenamtlich tätigen Vorstände ohnehin schon tun. Für sie ist klar: Sie wollen ihren Herzensverein nicht im Stich lassen. Sie reden, sie überlegen, sie kämpfen. Sponsoren, Banken, Stadt und Anwälte werden konsultiert. "Alles war über den Haufen geworfen", erinnert sich Butzke. Binnen weniger Tage musste der Verein finanziell neu aufgestellt werden. Die gute Nachricht inmitten dieser großen Krise. Es klappte. Der Spielbetrieb in der nahenden Saison, das haben die beiden Vorstände auch der Mannschaft, die sich gerne wieder in der Oberliga-Spitzengruppe sehen würde, ist nach allem Dafürhalten gesichert.
Dass neue Forderungen auftauchen werden, dass noch irgendwas im Argen liegt, laut Butzke zumindest nahezu ausgeschlossen. "Wir haben mit jedem gesprochen. Wir sind bei den Zahlen zu 100 Prozent auf Stand", sagt Butzke. Allerdings: Zuschauer und Sponsoren müssten weiter so unterstützen wie bisher. Das Beben beim ECDC, auch das machte der Auftritt deutlich, hat wohl einiges verändert. Es hat den Verein in seinem Innersten erschüttert. Es hat vielleicht aber auch neue Kräfte freigelegt. Und es hat gezeigt: Der Verein wird aktuell von zwei Männern geführt, die bedingungslos vorangehen.
Manuel Weis