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Sonntag, 16. Februar 2025

Tradition wieder belebt Rekordmeister im langsamen Neuaufbau: Der neue alte Berliner Schlittschuh-Club

Die Berliner Eishockeylandschaft ist eine besondere. In Deutschlands größter Stadt mit rund 3,9 Millionen Einwohnern gibt es nicht nur den deutschen Meister Eisbären, sondern noch zwei Regionalligateams und sogar eine komplett eigene Landesliga mit elf Mannschaften, die sich aber immer wieder begrenzt zur Verfügung stehende Eishallen teilen müssen.

Und es gibt mit dem Berliner Schlittschuh-Club einen ganz besonderen Verein. Der Club war im Jahr 1912 der erste deutsche Meister und häufte bis 1976 – damals unter Trainer Xaver Unsinn – 18 weitere Titel an. Noch vor den legendären Teams des SC Riessersee (10 Titel) und dem EV Füssen (16) ist der Club deutscher Rekordmeister. Derselbe Titel also, den die Eisbären Berlin mit mittlerweile zehn Meisterschaften in der DEL inne haben.

Eigentlich ist der Berliner Schlittschuh-Club aber gar nicht mehr wirklich der Berliner Schlittschuhclub von 1893. Denn der ursprüngliche Verein wurde 2014 aufgelöst. Zuvor hatte er eine bewegte Geschichte hinter sich: 1982 zog man sich mit enormen Schulden aus der 1. Bundesliga zurück, aus Teilen entwickelten sich dann der BSC Preussen (von 1987 bis 2002 in der Bundesliga bzw. DEL), während der BSchC 1984 wieder in der Regionalliga und bis zur Auflösung bis 1987 in der Oberliga Nord spielte. Es folgten verschiedene Zwischenstationen, allesamt aber weit unten in der Ligenstruktur. Im Juli 2007 wurde schließlich die Eishockeyabteilung vom ursprünglichen Berliner Schlittschuh-Club ausgeschlossen (fortan war Tennis die wichtigste Sportart), die Eishockeyabteilung unter ESC 2007 Berlin aber neu gegründet. Während der alte BSchC 2014 endgültig aufgelöst wurde, entschlossen sich die Verantwortlichen 2020 den ESC wieder in Berliner Schlittschuh-Club umzubenennen.

Ein altehrwürdiger Verein also im Neuaufbau, wie Daniel Schwarzensteiner erzählt. Er hat sich auf den Aufruf zur „Leidenschaft Amateureishockey“ von Eishockey NEWS gemeldet. „Wir sind wieder komplett bei den Anfängen, haben nicht nur den Namen, sondern auch das Logo von damals wieder übernommen.“ Die Namensrechte wurden der insolventen Tennisabteilung abgekauft. „Allerdings sind leider alle Pokale von damals weg – und das sind einige Pokale.“ Schwarzensteiner ist Sportlicher Verantwortlicher und Trainer des Seniorenteams der BSchC, das derzeit mit zwei Mannschaften in der Landesliga spielt – eine davon ist die ehemalige Mannschaft der 2020 insolventen ECC Preussen Berlin, die sich dem BSchC anschloss.

Daniel Schwarzensteiner

Schwarzensteiner ist gebürtiger Berliner, der aber viele Jahre auch in Straubing aktiv war (er spielte im Nachwuchs mit Stefan Loibl, Drake Batherson oder Daniel Filimonow), denn aus dem dortigen Umland stammt seit Vater. Noch heute ist er Fan der Tigers, war 2017/18 nochmals ein Jahr in der dortigen Landesligamannschaft in der Organisation tätig, ist aber seither wieder ein echter Berliner, der nun als Sportlicher Leiter die Aufgabe erhalten hat, die Seniorenabteilung des BSchC wieder mit aufzubauen. Zuvor war ein komplettes Team nach Unstimmigkeiten mit dem Vorstand aus eigener Kraft ausgetreten.

Der Aufbau sei nicht leicht, sagt Schwarzensteiner: „Es ist schwierig, Spielermaterial zu finden, weil es ja die Eisbären, die Eisbären Juniors und FASS Berlin gibt, die alle höherklassig spielen und interessanter sind. Viele Spieler habe erst einmal höherklassige Ambitionen und machen erst einmal anderswo ein Probetraining.“ Heute besteht das Team der ersten Mannschaft des BSchC aus „guten Hobbyspielern und Gelernten“ – heißt, dass auch ehemalige Oberligaspieler dabei sind und bei der zweiten Mannschaft der ehemalige DEL-Spieler und Ex-Preusse Marco Rentsch, mittlerweile 59 Jahre alt. „In der Landesliga zu bestehen, ist für uns schwer“, sagt Schwarzensteiner.

Rund 500 Mitglieder hat der Verein mittlerweile wieder, bietet neben Eishockey auch Curling, Dart oder Tanzen in seinen Abteilungen an. Rund 150 bis 200 Mitglieder hat die Eishockeyabteilung. Es gibt eine Laufschule sowie Teams in den Altersklassen U7, U9, U11 sowie in der U13/U15 eine Spielgemeinschaft mit dem OSC Berlin. Die Spiele werden in Charlottenburg ausgetragen. Die Wiedereröffnungen der Eishallen in Neukölln und des Erika-Heß-Eisstadions im Wedding hat Entspannung in die Berliner Eishockeyszene gebracht. „Aber wir haben weiter keine offizielle Trainingsstätte und müssen unser Trainingsmaterial meist hin- und herfahren“, erzählt Schwarzensteiner. Späte Trainingszeiten sind inklusive.

Drei komplette Tage, so schätzt er, verbringt er pro Woche mit dem Verein, Spiele und Training eingerechnet. Ehrenamtlich. Da wird auch schon mal der Laptop mit in die Eishalle genommen und das Homeoffice in die Kabine verlegt. „Es ist wie überall: Ohne Ehrenamt wäre es gar nicht möglich, so etwas aufzubauen.“ Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, ein stabiles Fundament aufzubauen und Fehler der Vorgängervereine möglichst zu vermeiden. „Es ist schön, Seniorenmannschaften zu haben, aber erst einmal soll der Nachwuchs wachsen und wieder in allen Altersklassen besetzt sein“, sagt Schwarzensteiner. Dass das alles dauert, hat der Club einkalkuliert. „So auf fünf bis zehn Jahre wollen wir aus der Landesliga raus und wieder Regionalliga spielen.“ Schon die Oberliga sei ein „hartes Stück Arbeit“, weiter wolle man gar nicht denken, zumal sich die Sponsorensuche schwierig gestaltet. „Die Vereine in Berlin werden mit Anfragen überflutet, die kennen aber meist nur die Eisbären. Ich muss sagen, in meiner Straubinger Zeit, als ich mich dort auch um die Landesligamannschaft gekümmert habe, war das um einiges einfacher.“

Auch wenn Schwarzensteiners Herz weiter für die Tigers schlägt und er gerne während der Saison Spiele des Clubs ansieht („Irgendwann zieht es mich bestimmt wieder mal nach Straubing), ist er doch mit Leib und Seele Berliner und widmet sich seiner neuen Aufgabe, die der Club mit dem Slogan „Tradition neu beleben“ überschreibt. Welchen Namen der Club im Übrigen immer noch hat, zeigte sich vor etwas mehr als einem Jahr: Auf Einladung des Komitees des Spengler Cups war auch eine Delegation des BSchC in Davos zu Gast. Alle Teilnehmer der ersten Austragung im Jahr 1923 waren eingeladen. Damals stand der Berliner Schlittschuhclub im Finale, ein Jahr später holte er seinen ersten von drei Titeln. Auch in dieser Kategorie ist kein deutsches Team besser. Ein besonderer Club also mit einem besonderem Weg vor sich.

Michael Bauer


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Notizen

  • vor 2 Tagen
  • Maximilian Leitner wird in dieser Saison nicht mehr für DEL2-Club Wölfe Freiburg zum Einsatz kommen. Sein im Spiel gegen Weißwasser erlittener Kreuzbandriss bringt eine Ausfalldauer von mehreren Monaten mit sich (Eishockey NEWS berichtete in der aktuellen Print-Ausgabe).
  • vor 2 Tagen
  • Der EHC Red Bull München und der EC Red Bull Salzburg haben die Gegner für das Vorbereitungsturnier Red Bulls Salute in Zell am See Kaprun (22./23. August) bekannt gegeben: In diesem Jahr sind es der schwedische Champions-League-Sieger von 2022 Rögle BK und der dreimalige Schweizer Meister EV Zug.
  • vor 5 Tagen
  • Nach einem Stockendenstoß am Freitag beim Spiel gegen Bremerhaven leitete die PENNY DEL ein Ermittlungsverfahren gegen Kölns Maximilian Kammerer ein. Der Disziplinarausschuss hielt eine Geldstrafe für angemessen. Gesperrt wurde der Haie-Angreifer nicht.
  • vor 7 Tagen
  • Der Deutsche Eishockey-Bund hat Michael Fomin für drei Spiele gesperrt und mit einer Geldstrafe belegt. Der Stürmer der Füchse Duisburg hatte sich beim 2:7 in den Oberliga-Playoffs gegen Heilbronn einen Stockcheck geleistet.
  • vor 10 Tagen
  • Der DEB und PENNY veranstalten am 3. und 4. Mai in Düsseldorf ein Girls Camp für Mädchen der Jahrgänge 2013, 2014 und 2015. Weitere Informationen und das Anmeldeformular finden Sie hier: https://www.deb-online.de/eishockey-girls-camp-unterstuetzt-von-penny/
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