Alexander Ovechkin hat nun Wayne Gretzkys Marke erreicht.
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Es ist vollbracht: Alexander Ovechkin hat den Ewigen Torrekord von Wayne Gretzky eingestellt. Der Russe in Diensten der Washington Capitals schoss in der Nacht auf Samstag gegen die Chicago Blackhawks seine Treffer 893 und 894 und hat damit exakt so viele Tore erzielt wie Gretzky, der seine Karriere 1999 mit 894 Toren in 1.487 Partien beendet hat – Hauptrundenpartien wohlgemerkt, denn die NHL verwendet für ihre Rekorde und Meilensteine nur Zahlen aus der Hauptrunde. Ovechkin brauchte mit 1.486 Spielen übrigens genau eines weniger als Gretzky, der auch im Stadion war.
„Ich zittere immer noch ein wenig und kann es immer noch nicht glauben“, sagte Ovechkin. „Es ist schön, dass meine Familie hier ist: meine Mutter, meine Frau, meine Kinder, mein Schwiegervater und viele Freunde aus vielen verschiedenen Städten. Das ist Geschichte. Es ist großartig für das Eishockey. Es ist großartig, hier dabei zu sein. Es ist etwas Besonderes.“
Der Rekord, der größte für die Liga, seit Torhüter Martin Brodeur am 17. März 2009 Patrick Roy in der Ewigen Siegstatistik überholte (damals 552, heute 691), wurde von der NHL seit Monaten auf allen Kanälen und sogar neben einem Logo mit Schlagwort (The Gr8 Chase – angelehnt an seinen Spitznamen The Great Eight) noch mit einem eigenen Countdown begleitet. Traf Ovechkin in einem Spiel, begann die Schlagzeile auf der Ligahomepage zuletzt stets mit: „Ovechkins scores Number xxx“. Gretzky selbst hatte Ovechkins Näherrücken stets unterstützt, ihm Nachrichten geschrieben und ihn als „großartigen Torjäger“ bezeichnet.
Gretzky feierte mit Ovechkin in der Kabine, der Russe zeigte mit einer Verbeugung seine Anerkennung für den Kanadier. „Ein spezieller Moment" sei der Rekord, sagte Ovechkin später auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gretzky. „Das ist toll für Eishockey, für D.C., für die Fans. Ich zittere immer noch ein wenig. Das ist Geschichte!" Gretzky scherzte, er sei froh, dass nun Gleichstand herrsche - und er noch 24 Stunden Rekordbesitzer sei. Er sei stolz, mit seiner Frau dabei zu sein, wie einst Gordie Howe und seine Frau, als Gretzky diesen überflügelte.
Nun ist der Rekord also eingestellt. Dabei wurde Ovechkins Rekordjagd Ende vergangenen Jahres jäh unterbrochen, als er sich am 18. November im Spiel gegen Utah das Wadenbein brach. Zu einem Zeitpunkt als er mit 15 Treffern die Ligastatistik anführte. Bezeichnend für den heute 39-Jährigen: Es war einerseits nicht nur die schwerste Verletzung seiner langen Karriere, andererseits war er auch schon deutlich früher als prognostiziert wieder fit. Nur knapp zwei Wochen später, Anfang Dezember, stand er wieder auf dem Eis, am 29. Dezember erzielte er bei seinem Comeback gleich einen Treffer. Nun fehlten noch 26 Tore bis zum Rekord. Möglich? Ja!
Hatte Ovechkin scheinbar in der Vorsaison mit nur 31 Treffern doch deutlich nachgelassen (achtmal kam er zuvor in seiner Karriere auf 50 oder mehr Tore, zusätzlich viermal auf mehr als 40), findet er sich in dieser Saison mit seinen nun 41 Toren unter den Top 5. Lediglich Leon Draisaitl ist mit seinen mittlerweile 52 Toren weit entfernt und dürfte Ovechkin die Maurice Richard Trophy wegschnappen, die er in seiner Karriere neunmal gewonnen hat.
Zu seinen individuellen Auszeichnungen kommen in der NHL als wichtigste Errungenschaft der Stanley Cup 2018 mit den Washington Capitals hinzu (den er mehr als ausführlich und in aller Feuchtfröhlichkeit feierte), eine Conn Smythe Trophy als wertvollster Spieler der Playoffs im selben Jahr, je drei Hart Trophys und Ted Lindsay Awards als wertvollster Spieler, eine Art Ross Trophy als bester Punktesammler und eine Calder Trophy als bester Rookie – jene im Duell der damaligen Super-Neulinge mit Sidney Crosby, der ihm in Sachen Titel (vor allem Stanley Cups) lange Zeit voraus war. Beide liegen in Sachen Punkten auf den Rängen neun (Crosby, 1.678) und elf (Ovechkin, 1.618) dennoch eng beisammen und prägten die vergangenen 20 Jahre NHL-Historie.
Enjoy another look at a historic game-winner in more ways than one called by none other than @JohnWaltonPxP #ALLCAPS | @Verizon pic.twitter.com/RyYYXSAeyd
— x - Washington Capitals (@Capitals) April 5, 2025
Der größte Unterschied: Ovechkin ist der geborene Torjäger. Sein Markenzeichen ist der Direktschuss auf Höhe des Bullypunkts, gerne auch im Powerplay. 324-mal hat er allein in Überzahl getroffen. Selbst bei freier Sicht war der Schuss für manche Goalies nicht zu halten. Apropos Goalies: Gegen 182 von 217 Torhütern, gegen die er gespielt hat, hat er auch getroffen, knapp vor Jaromir Jagr (178, Jagr hat übrigens 766 Tore erzielt).
Größter Kritikpunkt an seiner Karriere ist die Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Ovechkin, der schon angedeutet hat, dass er nach dem Ende seines Vertrags 2026 wohl seine Karriere bei Dynamo Moskau fortsetzen wird, hat sich seit dem Start des Angriffskriegs auf die Ukraine nie von Putin und dem Krieg distanziert und musste gerade zum Start im Jahr 2022 viel Kritik einstecken. 2017 schon hatte Ovechkin das Team Putin gegründet (er gilt in Moskau als „Unser Mann in den USA"), sein Instagram-Profilbild (1,6 Millionen Follower), das aus dem Jahr 2014 stammt, zeigt ihn auch heute noch mit dem Kreml-Chef. „Bitte, kein Krieg mehr. Es ist egal, wer im Krieg ist – Russland, die Ukraine, andere Länder – wir müssen in Frieden leben“, hatte er im Februar 2022 diplomatisch gesagt.
Seither gab es keine oder kaum Äußerungen mehr, auch Kreml-kritische Spieler wie Artemi Panarin (New York Rangers) und Nikita Zadorov (Boston) meldeten sich nur sporadisch oder kaum mehr öffentlich. Zadorov sagte 2023, in einem Gruppenchat mit russischen Spielern habe es geteilte Meinungen zum Krieg gegeben – einige dafür, andere dagegen. Namen nannte er keine. Aus Respekt. Größter Kritiker des russischen Kriegs in Europa aus dem Eishockeysport war zuletzt mit dem Tschechen Dominik Hasek ein ehemaliger NHL-Star. Er verurteilte zuletzt die Liga (ohne Ovechkin beim Namen zu nennen) dafür, dass jeder russische Sportler, der öffentlich auftrete, „das beste Aushängeschild für den russischen imperialistischen Krieg und alle damit verbundenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ sei. Ergo bewerbe auch die NHL den Krieg und sei für verlorene Menschenleben verantwortlich.
All das war zumindest am Freitag (und der NHL auch schon lange vorher) egal. Sport und Politik wurde getrennt. Und so feierten die Fans, die Liga und auch Gretzky selbst den größten Torjäger der NHL-Historie: Alexander Ovechkin.
Michael Bauer